Energie

Sicherheit der Energieversorgung für Deutschland

Unsere Forderungen an die Ampelkoalition

Ausgangslage

Der völkerrechtswidrige, menschenverachtende und brutale Angriffskrieg der russischen Regierung auf die Ukraine, welcher in der Nacht des 24. Februars 2022 seinen Anfang nahm, hat die politische und wirtschaftliche Situation in der Welt, vor allem aber auf dem europäischen Kontinent, maßgeblich verändert. Infolgedessen gerieten unter anderen auch die Energiemärkte unter Druck, welche sich schon vor Ausbruch des Konfliktes in einer ohnehin angespannten Lage befanden. Die Bundesrepublik Deutschland ist durch ihre im Vergleich zu anderen Staaten der Europäischen Union [EU] außergewöhnlich hohe Abhängigkeit von russischen Primär-energieimporten besonders von diesen Marktveränderungen betroffen, verstärkt noch zusätzlich durch die inzwischen eingeführten Sanktionsmaßnahmen der EU. So sind in den letzten Monaten seit Kriegsbeginn zwei zentrale Probleme für die Regierung und Bevölkerung der Bundesrepublik entstanden:

Auf der einen Seite ein starker Anstieg der Preise für Strom, Wärme und Mobilität, der für unsere Wirtschaft, aber vor allem für viele Bürgerinnen und Bürger, eine große Belastung darstellt; auf der anderen Seite eine potenzielle Energieknappheit durch den Mangel an importierbaren Primärenergieträgern, der den Regelbetrieb unserer Industrie stören und zu einer Rezession der deutschen Wirtschaft führen kann. Ein solches Szenario wäre insbesondere auch insofern kritisch, als dass dadurch die Inflation weiter wachsen und so das private Eigentum aller Bürgerinnen und Bürger langfristig bedroht würde.

Eine solide Politik zur Sicherung der Energieversorgung und Eindämmung der hohen Energiepreise für Bürgerinnen und Bürger ist dringend von Nöten. Der gewählte politische Weg muss sich kurzfristig der bestehenden Problemsituation annehmen und dennoch so langfristig durchdacht sein, dass dieselben Probleme nicht in wenigen Jahren erneut angegangen werden müssen. Deutschland braucht als Antwort auf die aktuelle Situation ein durchdachtes, nachhaltiges Krisenmanagement.

Als die junge politische Generation innerhalb der Sächsischen Union wollen auch wir Verantwortung in der aktuellen Situation übernehmen und Lösungsvorschläge anbieten, die diesem Grundsatz nachhaltigen Krisenmanagements entsprechen. Dazu stellen wir der Bundesregierung nachfolgend 11 Forderungen, anhand derer sich der politische Kurs unserer Ansicht nach orientieren sollte, um die Energieversorgung der Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland sowie die der Wirtschaft nachhaltig abzusichern und damit der beschriebenen Probleme und den mit ihnen verbundenen Gefahren entgegenzuwirken.

Unsere Forderungen lassen sich in drei Kernaussagen zusammenfassen und haben zum Ziel, Deutschlands energiepolitische Resilienz mittelfristig zu stärken:

Kernaussagen

1. Schnellst- und größtmögliche Unabhängigkeit von russischen Primärenergieimporten

Zur Unterstützung der Ukraine und hoffentlich damit früheren Beendigung der kriegerischen Handlungen von russischer Seite ist es notwendig, die aktuell beschlossenen Sanktionen aufrecht zu erhalten und zu erweitern. Deutschland muss die einseitige Abhängigkeit von Russland, speziell in Bezug auf die Primärenergieimporte, zu beenden. Es gilt, die deutsche Energieimportstrategie zu diversifizieren und das in schnellstmöglichem Tempo, um Unabhängigkeit von der Putin-geführten russischen Regierung zu gewinnen.

2. Energieversorgungssicherheit - bezahlbar für alle

Die Energieversorgung muss gesichert, Blackouts um jeden Preis vermieden werden. Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes müssen sich darauf verlassen können, auch morgen mit Energie versorgt zu werden, auch und gerade jene mit kleineren Einkommen. Zu viele Bürgerinnen und Bürger leiden schon jetzt unter den Mehrbelastungen durch die gestiegenen Strom-, Heiz- und Mobilitätskosten. Dem muss entgegengewirkt und soziale Härten abgemildert werden.

3. Nachhaltiges Krisenmanagement zur Schonung von Klima und Umwelt

Der politische Weg zur Bewältigung der aktuellen Energiekrise muss von Effizienz geprägt sein. Das bedeutet, Lösungen zu wählen, die sowohl kurzfristig Effekt zeigen als auch langfristig von Vorteil für die deutsche Energie- und Klimastrategie sind. Priorität hat zum aktuellen Zeitpunkt uneingeschränkt die Energieversorgungssicherheit. Nichtsdestotrotz sollte bei jeder Handlung neben der ökonomischen auch die ökologische Auswirkung berücksichtigt und nur Maßnahmen implementiert werden, deren Ertrag zur Sicherung der Energieversorgung auch in einem akzeptablen Verhältnis zum negativen Klimaeffekt und zur Wirtschaftlichkeit steht.

Forderungen

1. Kohle- & Öl-Import Embargo deutlich vor Ende 2022

Zur Schwächung der russischen Wirtschaft und damit zur schnelleren Beendigung der Kampfhandlungen in der Ukraine wurden seit Kriegsbeginn am 24.02.2022 eine Reihe an Sanktionen in Kraft gesetzt, die zu einem großen Teil aus Handelsembargos für spezifische Produktkategorien bestehen. Eine für die russische Wirtschaft besonders wichtige Handelsressource sind Primärenergieexporte. Deutschland importierte im Jahr 2021 für ca. 19,4 Mrd. Euro Erdgas und Erdöl; sowie Kohle für ca. 2,2 Mrd. Euro. Das zeigt: unser Land ist ein wichtiger Handelspartner für die russische Föderation, gleichermaßen ist die Bundesrepublik aber auch davon abhängig.

Unser höchstes Ziel muss es sein, unsere Abhängigkeit von Russland zu beenden. Im Gegensatz zu Erdgas können Erdöl und Kohle mit einem geringen Aufwand in großen Mengen transportiert werden. Das macht es technisch betrachtet möglich, diese Ressourcen leicht von alternativen Handelspartnern als Russland zu beziehen.

Angesichts dessen fordern wir die Ampelkoalition auf, alternative Exporteure für die Ressourcen Erdöl und Kohle zu finden und, wenn die Energieversorgungssicherheit gewährleistet ist, ein Embargo gegen Russland für Erdöl und Kohle einzuführen, noch deutlich vor Ende 2022.

2. Gas-Embargo nur bei Energieversorgungssicherheit

Die Bundesrepublik Deutschland hat im Jahr 2021 ca. 55% seiner Erdgasimporte aus Russland bezogen. Das zeigt: Die deutsche Abhängigkeit von russischen Primärenergieimporten ist groß. Dabei fällt besonders ins Gewicht, wie breit Erdgas als Energiemedium in Deutschland eingesetzt wird. Im Jahr 2021 entfielen 37% des Gesamtabsatzes an Erdgas an die Industrie; 31% an private Haushalte; 13% an Handel, Gewerbe und Dienstleistungen; 12% an die Stromversorgung und 7% an die Fernwärme-Erzeugung. Fünf sehr verschiedene Verbrauchergruppen die zeigen, welch zentrale Bedeutung diese Ressource für Gesellschaft und Wirtschaft besitzt. Aufgrund dessen sind wir der festen Überzeugung, dass ein Erdgas-Embargo gegen Russland nur dann durchgeführt werden kann, wenn Deutschland die beschriebene Nachfrage mit absoluter Sicherheit anderweitig decken kann, zum Beispiel durch den Import von Flüssigerdgas (LNG) aus Drittstaaten.

Da dies zum aktuellen Zeitpunkt allerdings nicht gegeben ist, da Deutschland die entsprechende Infrastruktur fehlt, sprechen wir uns gegen ein Erdgas-Embargo aus, da ein solches die Energieversorgungssicherheit gefährden und verheerende Folgen, wie eine umfassende Rezession der deutschen Wirtschaft, nach sich ziehen könnte.

3. Temporäre LNG-Infrastrukturen schnellstmöglich aufbauen

Es ist von zentraler europäischer Bedeutung für Deutschland, seine Abhängigkeiten von russischen Primärenergieimporten, insbesondere Erdgas (siehe Forderung 2), drastisch zu reduzieren. Ein Weg, dies zu tun, ist der Ersatz russisch importierten Erdgases mit dem anderer Handelspartner. Der Transport von Erdgas in großen Mengen gestaltet sich allerdings als schwierig: Im gasförmigen Aggregatzustand wird dieses klassischerweise über Pipelines transportiert (siehe z.B. Nordstream 1/2). Der Bau solcher ist allerdings sehr zeitintensiv und somit nicht für dynamische Handelspartner-Wechsel geeignet. Eine andere Möglichkeit zum Transport von Erdgas ist es, dieses bei sehr niedrigen Temperaturen zu verflüssigen und in dieser Form zu verschiffen. Dabei sinkt das Volumen auf ca. 0,16% im Vergleich zum gasförmigen Zustand ab, wodurch die speicherbare Menge enorm ansteigt. Bei Erreichen des Zielstandortes wird das flüssige Erdgas [LNG] dann wieder in seinen gasförmigen Zustand umgewandelt und in das klassische Erdgas-Pipelinenetz eingespeist.

Für die Verflüssigung bzw. die Rückumwandlung in den gasförmigen Zustand werden spezielle LNG-Terminals benötigt. Solche Infrastrukturen gibt es zurzeit nicht in Deutschland, sie sind aber Grundvoraussetzung für den Import bzw. das Einspeisen von angelieferten Flüssigerdgas. Für die Unabhängigkeit Deutschlands von russischen Erdgasimporten, und damit auch für die Energieversorgungssicherheit, ist es von größter Bedeutung, nun eine solche Infrastruktur zügig zu errichten.

Der Bau kann in zwei grundsätzliche Arten von Infrastruktur unterteilt werden: In temporäre Strukturen, zum Beispiel schwimmende LNG-Terminals, die kurzfristig genutzt werden; und in permanente Strukturen, die dauerhaft aufgebaut und längerfristig zur LNG-Annahme genutzt werden. Der Bau der Tesla-Fabrik in Grünheide hat gezeigt, in Deutschland kann, wenn man es will, zügig gebaut werden. Das erwarten wir nun auch für die Errichtung temporärer LNG-Infrastrukturen.

Wir fordern die Ampelkoalition auf, schnellstmöglich sämtliche Maßnahmen zu ergreifen, um zum nächstmöglichen Zeitpunkt funktionsfähige temporäre LNG-Infrastrukturen zur Einspeisung von importiertem Flüssigerdgas ans Netz bringen zu können. Dies geschieht idealerweise bis Ende 2022.

Mögliche Maßnahmen zur Beschleunigung dieses Prozesses umfassen unter anderem eine Modernisierung des Umwelt-, Planungs- und Genehmigungsrechts für Industrieanlagen; eine Verschlankung der zahllosen Forderungen, die auf dem Green Deal der EU aufbauen; sowie potenzielle Subventionen und ein zeiteffizienterer Umgang mit Klagen von zum Beispiel Umweltverbänden, die den Baufortschritt ausbremsen können.

4. Zulassung neuer permanenter LNG-Infrastrukturen nur, wenn diese mittelfristig auch für Wasserstoff geeignet sind

Parallel zu der in Forderung 3 beschriebenen temporären LNG-Infrastruktur muss außerdem zügig mit dem Bau einer permanenten Infrastruktur begonnen werden, die die temporären Module dauerhaft ablöst. Angesichts dessen, dass diese deutlich länger im Einsatz sein wird und ihr Bau sowohl zeit- als auch kostenintensiver ist, müssen an diese Bauprojekte umfangreichere Forderungen gestellt werden als an die temporären Strukturen.

Erdgas, egal ob in gasförmigen oder flüssigen Lieferzustand, ist nicht die Energiequelle der Zukunft. Es handelt sich wie bei Erdöl oder Kohle ebenfalls um einen fossilen Energieträger, der nur begrenzt zur Verfügung steht und dessen Verbrennung klimaschädlich ist. Zukunft der deutschen Energieversorgung sind die erneuerbaren Energien (siehe Forderung 10). Bereits mittelfristig könnte Erdgas durch zunächst blauen (nicht-CO2-neutral hergestellt), dann grünen Wasserstoff (CO2-neutral hergestellt) ersetzt werden. Deshalb muss darauf geachtet werden, dass die zu errichtende permanente LNG-Infrastruktur nicht nur für die Einspeisung und den Transport von Flüssigerdgas geeignet ist, sondern auch für die Einspeisung und den Transport von zukünftig importiertem Wasserstoff oder zumindest mittelfristig dahingehend umgerüstet werden kann. Nur eine solche Infrastruktur ist eine nachhaltige Infrastruktur. Andernfalls müssen in wenigen Jahrzehnten bereits komplett neue Infrastrukturen für Wasserstoff errichtet werden, was weder wirtschaftlich noch der erneute Bau und die Herstellung der einzelnen Komponenten klimafreundlich wäre.

Wir fordern die Ampelkoalition auf, ausschließlich solche permanenten LNG-Infrastruktur Bauprojekte zu genehmigen, die derartig konzipiert sind, mittelfristig auf den Einsatz mit Wasserstoff umgerüstet werden zu können.

5. Neue Gaskraftwerke, deren Betrieb auf Wasserstoff umgerüstet werden kann

Analog zur Argumentation zur permanenten LNG-Infrastruktur in Forderung 4 sind wir auch in Bezug auf neue Gaskraftwerke der festen Überzeugung, dass nur nachhaltige Projekte genehmigt werden sollten. Nachhaltig, das bedeutet für uns, dass das geplante Gaskraftwerk mittelfristig auf den Betrieb mit Wasserstoff umgerüstet werden kann. Dies ist bereits mit bestehenden Kraftwerken möglich und geht für gewöhnlich mit dem Tausch der Gas-Turbine einher. Neue Gaskraftwerke sollten direkt mit Turbinen geplant werden, die für sowohl Erdgas als auch Wasserstoff ausgelegt sind.

Wir fordern die Ampelkoalition auf, ausschließlich solche Planungsverfahren für neue Gaskraftwerke zu genehmigen, die im vornherein darauf ausgelegt sind, mittelfristig auf den Betrieb mit Wasserstoff umgerüstet werden zu können.

6. Kohlekraftwerk-Kaltreserven wieder in Betrieb nehmen

Der Begriff „Kaltreserve“ beschreibt laut Definition eine Gruppe von Kraftwerken, die normalerweise nicht mehr betrieben, aber in einem solchen „kalten“ Betriebszustand gehalten werden, sodass diese bei besonderen Energieengpässen zügig reaktiviert werden können. Die Reaktivierung dieser oft auch als „konservierte Kraftwerke“ bezeichneten Kaltreserve ist mit einer Vorlaufzeit verbunden, die von wenigen Tagen bis hin zu mehreren Wochen reichen kann. In Deutschland besteht die Kaltreserve zum wesentlichen Teil aus älteren Kohlekraftwerken. Aktuell befinden sich Braunkohlekraftwerke mit einer Leistung von 1,9 Gigawatt in der Sicherheitsbereitschaft.

In der kalten Jahreszeit erhöht sich der Strombedarf für gewöhnlich deutlich. Angesichts der aktuellen Energiekrise müssen bereits jetzt Vorkehrungen für den Winter 2022/23 getroffen werden, um Energieengpässe und Blackouts auszuschließen. Zur Wahrung der Energieversorgungssicherheit sehen wir den besonderen Umstand gegeben, der eine Reaktivierung der Kaltreserve für den Winter legitimiert.

Wir fordern die Ampelkoalition auf, bereits jetzt alle notwendigen Maßnahmen zu veranlassen, um die Kaltreserve im Bedarfsfall schnellstmöglich reaktivieren zu können.

Wir fordern bereits jetzt die Erstellung eines Mehrstufen-Reaktivierungsplans, der an die Auslastung des Stromnetzes gekoppelt ist, um eine klare Leitlinie für die durchzuführenden Schritte für die Kraftwerkbetreiber aufzuzeigen und zu verhindern, dass im Ernstfall Abstimmungsschwierigkeiten oder größere Planungsaufwände entstehen.

7. Produktionskapazitäten in Kohlekraftwerken prüfen und erhöhen

Im Normalbetrieb werden Kohlekraftwerke üblicherweise nicht an ihre maximal mögliche, zulässige Leistungsgrenze gefahren. Angesichts des im Winter steigenden Energieverbrauchs könnte dies zur Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit allerdings zusätzlich zur Reaktivierung der Kaltreserven (siehe Forderung 6) notwendig werden. Bereits jetzt sollten die Kraftwerkbetreiber prüfen und Pläne vorlegen, welche maximalen Leistungsgrenzen tatsächlich über mehrere Wochen annähernd konstant gefahren werden könnten bzw. welche Lastschemen für ihr jeweiliges Kraftwerknetz geeignet wären, um die Energieerzeugung über einen womöglich zwei- bis dreimonatigen Zeitraum zu erhöhen.

Wir fordern die Ampelkoalition dazu auf, die entsprechenden Kraftwerkbetreiber bereits jetzt die Möglichkeiten für eine Leistungserhöhung prüfen zu lassen und zügig entsprechende Pläne für ein solches Belastungsszenario vorzulegen.

8. Kohlekraftwerke bis mindestens 2038 in der Sicherheits- reserve halten, Steinkohleverstromung abbauen

Die aktuelle Situation zeigt: Energieversorgungssicherheit ist keine Selbstverständlichkeit. Sie ist ein hohes Gut und kann nur durch langfristiges Planen bei einer trotzdem schnellen Reaktionsbereitschaft auf dynamische Energiemarktsituationen gesichert werden. Für die Fähigkeit, dynamisch auf Versorgungsschwankungen oder höhere Bedarfe zu reagieren, sind Reserven entscheidend (siehe Forderung 6). Kohlekraftwerke eignen sich aufgrund ihrer schnellen Reaktivierungszeiten aus dem „kalten“ Zustand hierfür besonders. Durch die Energiewende, die wir als sächsischer JU-Landesverband unterstützen, könnte sich die Dynamik der Energieversorgung durch wechselnde äußere Faktoren wie Wind oder Sonne weiter erhöhen.

Deshalb fordern wir die Ampelkoalition dazu auf, Kohlekraftwerke bis mindestens 2038 in der Sicherheitsreserve zu halten und damit die Absicherung der Energieversorgung über die Wechselzeit zu den erneuerbaren Energien hinzugewährleisten.

Steinkohlekraftwerke sind im Vergleich zu Braunkohlekraftwerken deutlich abhängiger von Importen, da eine Förderung von Steinkohle in Deutschland unwirtschaftlich und die Reserven überdies sehr begrenzt sind. Der Vorteil von Steinkohleverstromung in Bezug auf die CO2-Bilanz ist, trotz der höheren Kraftwerkseffizienz, gegenüber Braunkohle marginal. Die Braunkohle stellt demgegenüber den einzigen, in nennenswerter Menge verfügbaren, heimischen Energierohstoff dar. Im Licht der jüngsten geopolitischen Entwicklungen erscheint die Braunkohle daher als am besten geeigneter fossiler Energieträger, um die Dynamik der erneuerbaren Energieträger Sonne und Wind auszugleichen, bei einer unklaren Importsituation von Erdgas.

Daher fordern wir die Ampelkoalition außerdem dazu auf, Steinkohlekraftwerke bevorzugt stillzulegen, um schnellstmöglich von importierten Energierohstoffen unabhängig zu werden.

9. Weiterbetrieb bestehender Kernkraftwerke bis März 2023

Zur Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit für den kommenden Winter wird öffentlich immer wieder die Forderung nach einer Verlängerung der Laufzeiten für die letzten drei sich in Betrieb befindenden Kernkraftwerke laut. Diesbezüglich wird auch das Wiederhochfahren der zuletzt vom Netz genommenen Kernkraftwerke in Betracht gezogen. Dazu wäre eine zügige Änderung des Atomgesetzes durch den Bundestag notwendig.

Wir sprechen uns gegen ein Wiederhochfahren der zuletzt vom Netz genommenen Kernkraftwerke aus. Das für den Betrieb dieser Kraftwerke benötigte Fachpersonal ist bereits zu großen Teilen abgebaut und umgeschult, es fehlen Brennstäbe und die Kraftwerke müssten erst wieder gewartet bzw. instandgehalten und sicherheitsüberprüft werden. Angesichts dieser Komplikationen setzen wir stattdessen auf die Aktivierung der Kaltreserven (siehe Forderung 6).

Wir sprechen uns aber für eine taktische Verlängerung der Laufzeit für die sich noch in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke aus, allerdings nur bis maximal Ende des ersten Quartals 2023. Die Kernkraftwerke sollten aktuell ressourcensparend gefahren werden, um die verbleibenden Kernbrennstoffvorräte zu schonen. Im kommenden Winter sollten die letzten Kernkraftwerke dann bei voller Leistung, auch über den Jahreswechsel hinaus, in Betrieb sein, um als eine weitere Komponente zur Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit beizutragen.

Wir fordern die Ampelkoalition dazu auf, die Laufzeiten nicht über den kommenden Winter und dessen erhöhte Energie-Bedarfsphase hinaus zu verlängern und einen Weiterbetrieb nicht über das erste Quartal 2023 zuzulassen.

10. Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien durch klare Vorgaben des Bundes

Parallel zu den bisher gestellten Forderungen ist auch der beschleunigte Ausbau erneuerbarer Energien dringend erforderlich. Diese Maßnahme trägt zwar nur begrenzt zur Sicherung der Energieversorgung in der aktuellen Situation bei, ist aber nichtsdestotrotz von großer Bedeutung. Denn durch den Ausbau erneuerbarer Energien gewinnt Deutschland zukünftig an energiepolitischer Unabhängigkeit und befreit sich von seiner Import-Abhängigkeit gegenüber Drittstaaten, während gleichermaßen zur Klimaneutralität der Energieversorgung in der Bundesrepublik beigetragen wird.

Der Ausbau erneuerbarer Energien steht vor vielen Hürden, maßgeblich aber jener der Bürokratie. Dieser muss sich zügig angenommen, Prozesse verschlankt und Vorgaben vereinfacht werden. Durch einheitliche Richtlinien vom Bund, sowohl was das Baurecht als auch den Umweltschutz betrifft, werden Genehmigungsbehörden von Unsicherheiten und individuellen Fallprüfungen befreit. Außerdem soll den Behörden auf diese Weise auch die Angst vor Klagen von Bürger- und Umweltverbänden genommen werden, die heute häufig zur langwierigen, weil juristische Folgen antizipiert werden, Verschleppung von Bauprojekten führt. Für die Windkraft müssen mehr Flächen in den Regionalplänen der Länder ausgewiesen werden, idealerweise gebunden an eine vorangegangene Einschätzung des regionalen Windaufkommens. Auch der private Ausbau von Photovoltaik wird durch Bürokratie und diverse steuerliche Meldepflichten verlangsamt und damit oft unwirtschaftlich sowie zeitaufwändig. Es bedarf einheitlicher, verständlicher Richtlinien. Darüber hinaus sollte über eine Regelung zum verpflichtenden Bau von PV-Anlagen auf öffentlichen Gebäuden und großen Industriehallen diskutiert werden, ebenso über Konzepte zur Abwärmenutzung. Parallel zum Ausbau der erneuerbaren Energien sind Kabeltrassen und Speichermöglichkeiten, sowie der Blick auf das Thema Sektorenkopplung, ebenfalls dringend notwendig. Auch hier müssen einheitliche Richtlinien geschaffen werden.

Wir fordern die Bundesregierung auf, klare und allgemein geltende Richtlinien für den Ausbau erneuerbarer Energien zu schaffen, um das Tempo des Ausbaus zu beschleunigen. Durch einheitliche verständliche Vorgaben, die sowohl Bau- als auch Umweltschutzmaßnahmen regeln, können Genehmigungsbehörden von langwierigen individuellen Fallprüfungen und der Gefahr von Klagen entlastet werden.

Wir fordern die Bundesregierung auf, die Ausweisung von Flächen für Windenergie oder große Solarparks im Regionalplan der Länder zu forcieren. Dabei müssen auch Duldungsvorgaben für Kabeltrassen, ähnlich zur Duldung von Glasfasertrassen, geschaffen werden.

Wir fordern die Bundesregierung auf, die Melde- und Steuerpflichten für private Photovoltaik-Anlagen und den mit ihrem Bau verbundenen bürokratischen Aufwand deutlich zu verschlanken und durch einheitliche verständliche Regelungen deutlich zu vereinfachen.

11. Einrichtung eines Energie-Kontrollstabes des Bundes

Zur Bewältigung der Energiekrise, speziell in der kommenden Phase erhöhten Bedarfs im Winter 2022/23, spielt Wissen und Information eine entscheidende Rolle. Die Abstimmung zwischen Energiebetreibern und Bundesregierung ist der Schlüssel zu einer Vergrößerung der Handlungsfähigkeit in Engpasssituationen. Am 30. März hat die Bundesregierung bereits einen Gas-Krisenstab einberufen. Die Energieversorgung Deutschlands darf nicht nur aus der Perspektive Erdgas betrachtet, sondern muss gesamtheitlich geplant und koordiniert werden. Am effizientesten kann einzig jenes Vorgehen sein, welches alle Kraftwerk- und Erzeugungsformen einbezieht, also auch Kohle- und Kernkraftwerke sowie erneuerbare Energien. Dies zu tun, bedarf einem hohen Maß an Kommunikation. Sich mit jedem dieser Anbieter einzeln auseinanderzusetzen, wäre ineffektiv und zeitintensiv. Deshalb plädieren wir für die Einrichtung eines Energie-Kontrollstabes.

Dieser Energie-Kontrollstab soll sich neben der dauerhaften Beobachtung des bestehenden Energiebedarfs in der Bundesrepublik und der Prüfung von vorhandenen Reserven fossiler Energieträger auch mit der Vorbereitung und Planung von Gegenmaßnahmen zu einer potenziellen Energieknappheit beschäftigen. Es muss schon jetzt eine gesamtheitliche Taktik zur Energieversorgung Deutschlands durch den kommenden Winter hindurch entstehen, abgesprochen und unter Einbeziehung der relevanten Industriepartner. So ist im Ernstfall klar, wer welche Aufgaben zu übernehmen hat, um aktionistisches zeitintensives Handeln zu vermeiden.

Bezugnehmend auf unsere vorangegangenen Forderungen soll sich der Energie-Kontrollstab auch mit der Planung des Mehrstufen-Reaktivierungsplans für die Kohlekraftwerk-Kaltreserve (siehe Forderung 6), der Prüfung möglicher Leistungserhöhungen der sich am Netz befindlichen Kohlekraftwerke (siehe Forderung 7) und der Planung des taktischen Weiterbetriebes der sich noch am Netz befindlichen Kernkraftwerke (siehe Forderung 9) beschäftigen.

Außerdem soll sich im Energie-Kontrollstab unter Rücksprache mit der Bundesregierung darüber austauschen werden, wie die Preise für Strom und Wärme gesenkt und die Bürgerinnen und Bürger entlastet werden können.

Wir fordern die Ampelkoalition dazu auf, einen Energie-Kontrollstab im Sinne der vorangegangenen Erklärung einzurichten, um bereits jetzt gezielt Maßnahmen für kommende Krisensituation vorzubereiten und zur finanziellen Entlastung der Bürgerinnen und Bürger beizutragen.

Zusammenfassung

Nachfolgend sind unsere 11 energiepolitischen Forderungen listenartig zusammengefasst. Wir fordern die Ampelkoalition auf, sich dieser pragmatisch anzunehmen, um die Energieversorgungssicherheit Deutschlands zu gewährleisten und unsere Abhängigkeit von russischen Primärenergieimporten zu stoppen. Damit tragen wir dazu bei, unsere Bürgerinnen und Bürger zu entlasten und leisten einen friedenspolitischen Beitrag, indem der Druck auf die Putin-Regierung erhöht wird.

Forderungen im Überblick

Forderung 1 Kohle- und Öl-Import Embargo gegen Russland deutlich vor Ende 2022
Forderung 2 Gas Embargo nur bei Energieversorgungssicherheit
Forderung 3 Temporäre LNG-Infrastrukturen schnellstmöglich aufbauen
Forderung 4 Zulassung neuer permanenter LNG-Infrastrukturen nur, wenn diese mittelfristig auch für Wasserstoff geeignet sind
Forderung 5 Neue Gaskraftwerke, deren Betrieb auf Wasserstoff umgerüstet werden kann
Forderung 6 Kohlekraftwerk-Kaltreserven wieder in Betrieb nehmen
Forderung 7 Produktionskapazitäten in Kohlekraftwerken prüfen und erhöhen
Forderung 8 Kohlekraftwerke bis mindestens 2038 in der Sicherheitsreserve halten, Steinkohleverstromung abbauen
Forderung 9 Weiterbetrieb bestehender Kernkraftwerke bis März 2023
Forderung 10 Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien durch klare Vorgaben des Bundes
Forderung 11 Einrichtung eines Energie-Kontrollstabes des Bundes

Für Rückfragen

Federführung
Dave Kersevan

Dave Kersevan

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AG-Leiter
20230921 Dsc02951

Julian Schiebe

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